Ein kleines Schaufenster, prall gefüllt mit Einzelstücken: kunstvoll gefertigtem Porzellan-Geschirr, Besteck mit silbernen Menschen-Figuren und Wildkatzen als Stiele, kleinen Möbelstücken, Handgefertigten Lampenschirmen, einem Stück Waldboden, wo sich Feen und Zwerge tummeln, beleuchtet von den vielen Lichtern der zahlreichen Lampen, die bei anders wohnen aufgehängt sind.
anders wohnen ist die Idee und der Spielplatz von Anders Vesterby, 1968 von Dänemark zusammen mit seiner damaligen Verlobten und späteren Frau in die Schweiz ausgewandert.
Anders hat schulterlanges, gewelltes Haar, er trägt einen Mittelscheitel. Eine Brille mit dünnem Metall Rahmen sitzt auf seiner Nase, die Gläser elipsenförmig, darunter ein weisser, gepflegter Vollbart. Er sieht entspannt aus, er spricht auch so, hat einen gütigen, wohlwollenden Blick. Während ich mich für das Interview einrichte, sagt er mir, ich solle doch einen Hocker nehmen, damit ich nicht stehen müsse, am besten den grünen. Die Stofftiere darauf soll ich einfach irgendwo hinlegen. Mein Blick schweift umher – ich sehe keinen freien Platz. Ich lege die beiden Figuren auf weitere Stofftiere drauf und bemühe mich, diese so zu platzieren, dass sie nicht gleich wieder runterfallen.
Anders Vesterby hat bei unserem ersten aufeinandertreffen vor seiner Ladentüre keinen Moment gezögert und sofort zugesagt. „Portait über mich? Kein Problem!“ Vesterby scheint ein unkoplizierter, spontaner Mensch zu sein.
Er sitzt im vorderen Drittel seines fantastischen Reiches. Etwa 2.5 mal 8 Meter Grundfläche, gefüllt mit den vielen Dingen, die es hier zu bestaunen und kaufen gibt, so dass nur noch ein schmaler Pfad übrig bleibt, Platz genug für eine Person. Wenn zwei Besucher sich kreuzen wollen, berühren sich diese unweigerlich.
Der Boden fühlt sich sandig an. Es ist auch tatsächlich Sand, wie ich feststelle. Jura-Sand, präzisiert Vesterby. Der Ladenbesitzer wohnt in der Nähe der Kantonsgrenze von Baselland und Jura. Zur Arbeit pendelt er per Zug. Bis zum Bahnhof fährt er jeweils mit einem Fahrrad. Eines steht im Jura, eines in Basel. Nur wenn das Wetter ganz schlecht ist, nimmt er das Auto.
Wie er denn überhaupt in die Schweiz gekommen sei, will ich wissen. Aus purer Neugierde nach etwas neuem. Nachdem er Dänemark nach Beendigung seines Studiums vor 43 Jahren zusammen mit seiner damaligen verlobten verlassen hatte, machte sich das Paar in Zürich sesshaft. Beide fanden Arbeit, er bei einem grossen Französischen Möbelhaus. Anders heiratete seine damalige Freundin, wurde mehrfacher Vater. Die Ehe hielt nicht, 1984 folgte leider die Scheidung, wie Vesterby etwas wehmütig sagt. Seine Ex-Frau brach die Zelte in der Schweiz ab und zog zusammen mit den gemeinsamen Kindern wieder nach Dänemark zurück.
Anders wollte die Schweiz nicht verlassen, es gefiel ihm gut hier. Als sich im Möbel-Konzern bei einer Restrukturierung diverse Dinge zu seinen Ungunsten änderten, war der Zeitpunkt gekommen für etwas Neues.
Nach einem Besuch des Vorstadt-Theaters in der St. Alban Vorstadt, sah Vesterby in einem Schaufenster in der selben Strasse eine Notiz: „Lokalität zu vermiten“. Der Preis, die Chemie und das Timing stimmten, Anders bekam den Zuschlag und zog von Zürich nach Basel. Wenig später richtete er seinen ersten Laden gemäss seinen Vorstellungen ein.
Zwei Jahre später zog er schliesslich an seinen jetzigen Standort an der St. Alban-Vorstadt 50, wo er seine Ideen noch besser umsetzen kann. Augenscheinlich mag Anders Vesterby alle Farben des Regenbogens und er hat einen Hang, Dinge nicht zu ordnen. Oder es ist eine Ordnung, die sich mir nicht erschliesst. Auf den ersten Blick herrscht in seinem Laden ein ziemliches Chaos. Er fühlt sich wohl in diesem Umfeld, es ist absolut gewollt. Eine Analogie zu seinem Stück Waldboden in seinem Schaufenster, welches er täglich giessen muss, damit es grün bleibt. Gräser, Brennesseln, Hagebutten, Äste, alles wild durcheinander, dazwischen ein Troll oder Zwerg, eine Fee, die über dem Waldboden schwebt. Die kalte Architektur mit klaren Linien, Stahl, Beton, Glas, Markenmöbel und Uniformität sind nicht sein Ding. Das war auch ein Grund, weshalb er nicht mehr bei der Möbelfirma arbeiten wollte, welche sich vom individuellen eher zur Konformität hin änderte.
Ist so ein Laden rentabel? Reich wird man damit nicht. Manchmal gibt es einen kleinen Gewinn, manchmal zahlt man drauf. Aber er führt den Laden auch nicht, um damit reich an Geld zu werden. Anders lebt bescheiden und ist zufrieden mit seiner finanziellen Situation. Er liebt es, wenn er in den Gesichtern der Menschen vor oder in seinem Laden diesen Wow-Effekt sieht. Dieses Staunen, welches man als Kind noch stärker hat und als Erwachsener so oft verliert. Hier kommt es dann und wann wieder zum Vorschein, im fantastischen Reich des Anders Vesterby.
anders wohnen St. Alban-Vorstadt 50, 4052 Basel
Öffnungszeiten: Di, Do, Fr 14 – 18h30, Sa 11 – 16h
Tel: +41 61 271 91 75 Email: andersvesterby@gmail.com
Edit: Anders hört auf per Ende Juni 2019 und verlinkt mit dieser Botschaft mein Portrait über ihn nochmals auf Facebook. Danke Anders und alles Gute für dein nächstes Kapitel!